
Hinter den Masken – das Werk
Dieses Buch entstand aus der Stille. Aus Gedanken, die zu lange geschwiegen haben. Aus einem inneren Raum, in dem Worte geflüstert wurden, bevor sie sich auf Papier trauten. „Hinter den Masken“ ist kein Ratgeber.
Es ist ein literarisches Zeugnis – ehrlich, poetisch, unbequem.
Ein Buch über Depression. Von innen erzählt. Und trotzdem für außen gedacht.

📚 Kurzbeschreibung:
In „Hinter den Masken“ begegnen wir der Depression nicht als Begriff – sondern als Gefühl.
Die Texte nehmen dich mit in Gedankenkarusselle, Morgenleere, Sozialmasken, Alltagsfunktionen – aber auch in Momente der Ehrlichkeit, des Mutes, des Mitgefühls.
Das Buch verbindet autobiografische Erlebnisse mit literarischer Sprache, gesellschaftlicher Beobachtung und einem klaren Ziel: Verständnis schaffen. Für das, was man nicht sieht.

👥 Für wen ist dieses Buch?
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Für Menschen, die selbst kämpfen – oder gekämpft haben
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Für Angehörige, Partnerinnen, Freundinnen
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Für Fachkräfte, die mehr fühlen als nur behandeln wollen
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Für alle, die hinter die Fassade schauen möchten
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Für dich, wenn du diesen Text gerade liest und denkst: „Ich kenn das.“

🎭 Zwischen Maske und Mensch
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Authentisch: kein „Expertenbuch“ – sondern echte Erfahrung
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Poetisch: literarischer Stil, starke Bilder, präzise Emotion
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Gesellschaftskritisch: zeigt, wie Masken entstehen – und warum wir sie tragen
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Berührend: ehrlich, roh, und trotzdem voller Würde
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Relevant: für unsere Zeit. Für das Tabu. Für den Wandel.

🛌 Kapitel 4 - Wenn der Morgen nicht beginnt
Depression von innen betrachtet – ein persönlicher Einblick in depressive Episoden
Manche Tage beginnen, ohne dass ich wirklich aufwache. 07:13. Ein Sonnenstrahl bricht durch den Spalt im Vorhang. 07:13. Der Morgen drängt sich auf. Ein Sonnenstrahl zwängt sich durch den Vorhang, als wolle er mich persönlich daran erinnern, dass die Welt da draußen angeblich weiterläuft. Vor meinem Fenster fährt schon der erste Jogger vorbei – in neonfarbener Montur, als sei er von der NASA beauftragt, den Asphalt zu prüfen. Jeder Schritt trieft vor Motivation, während ich hier liege wie ein Stein im Bett. Nebenan startet jemand sein Auto, und natürlich klingt es wie ein sterbender Staubsauger auf Koffein. Eine Amsel hockt auf dem Dachfirst, zwitschert in einer Tonlage, die vermutlich nur Hunde hören können – und natürlich ausgerechnet ich. Die Welt da draußen atmet, streckt sich, tut so, als sei sie frisch gewaschen und voller Energie. Und ich? Ich liege hier, unbeweglich, und denke mir: „Herzlichen Glückwunsch, ihr fröhlichen Bastarde. Schön, dass euer Leben funktioniert. Meins hat gerade mal die Decke angehoben – und das war’s dann auch schon.
Der Wecker hat längst geklingelt.
Ich habe ihn ignoriert. Oder ausgeschaltet. Oder er hat aufgegeben. So wie ich. Vielleicht zum ersten Mal. Vielleicht zum hundertsten. Ich starre an die Decke, als hätte sie Antworten parat. Mein Körper fühlt sich an wie ein schlecht sitzender Mietwagen – er fährt nicht los, und wenn doch, dann ohne mich. Oder schlimmer: wie ein Käfig, in dem ich der eigene Wärter bin. Und während ich hier so vor mich hin vegetiere wie eine vergessene Zimmerpflanze im Wartezimmer eines Zahnarztes, taucht vor meinem inneren Auge plötzlich ein Bild auf. Kein himmlisches Zeichen, kein Erleuchtungskram – nein, einfach Omas Frühstückstisch. Brötchen, Wurst, Käse, alles da. Die heilige Dreifaltigkeit des deutschen Morgenmahls. Einmal kurz Wellness für die Seele, serviert mit Filterkaffee aus einer Kanne, die vermutlich älter war als ich. Ein Schöner Gedanke. Damals als kleiner Junge und Frühstück bei Oma. Frisch aufgebrühter Kaffee. Brötchen, die knistern, wenn man sie bricht. Der Tisch wie ein kleines Fest: Landleberwurst, Schinken, Käse, Butter. Schwarzer Tee, in dem die Kandisstücke langsam knackend zerbrachen, verfeinert mit einem Schuss Sahne, der sich wie Marmor im Glas verzweigte. Geborgenheit. Leichtigkeit. Für einen Moment wird die Schwere leiser. Die Erinnerung legt sich wie eine Decke über die Kälte in mir – nicht stark genug, sie zu vertreiben, aber stark genug, mich an Nähe zu erinnern. Dann reicht ein einziger Gedanke – und zack, die Realität klopft mir wieder vor den Schädel. Das Bild zerbröselt wie Rauch im Durchzug, und die Schwere legt ihre Arme um mich, als wäre sie eine alte Bekannte. Die Uhr tickt, draußen rennt das Leben weiter wie ein schlecht gelaunter Hamster im Rad. Also schlage ich die Decke zurück. Nicht aus Kraft. Sondern, weil anscheinend niemand auf die Idee kommt, mir eine Krankschreibung fürs Liegenbleiben auszustellen.
Ich weiß, was zu tun wäre: Zähneputzen. Duschen. Anziehen. Kaffee. Vielleicht etwas essen. E-Mails. Arbeitsweg. Gespräche. Der Alltag liegt mir auf der Zunge – und ich bekomme ihn nicht herunter. Das Wissen hilft nicht. Es liegt da wie eine Liste im Kopf, und jeder Punkt darauf wiegt tonnenschwer. Zu schwer, um mich aufzurichten. Mit jeder Minute setzt sich jemand zu mir. Die Scham. Sie sitzt am Rand der Matratze und flüstert: „Andere schaffen das doch auch. Was stimmt nicht mit dir?“ Dann beginnt das Karussell. Langsam erst, dann schneller. Mit jeder Umdrehung verliere ich Halt: Du hast doch geschlafen – warum bist du so müde? Was denken die anderen, wenn du dich wieder nicht meldest? Du hast Zeit – warum nutzt du sie nicht? Du bist nutzlos. Faul. Eine Last. Einatmen. Ausatmen. Aushalten. Manchmal ist allein das Aufrichten des Oberkörpers ein stiller Triumph. Manchmal bleibt der ganze Tag ein einziger Anlauf.
Wenn ich es dann doch schaffe – aufzustehen, mich durchzuwinden, irgendwie zu funktionieren,
fühlt es sich an wie ein Marathon, dessen Ziel die Kaffeemaschine war.
Und selbst die wirkte zwischendurch unerreichbar. Draußen rauscht das Leben, als hätte es nichts Besseres zu tun. Push-Nachrichten ploppen auf, als wäre jede Schlagzeile eine persönliche Einladung zum Nervenzusammenbruch. Eilmeldungen, To-dos, Reminder – alles schreit gleichzeitig: Beeil dich, die Welt wartet nicht!
Im Radio johlen Stimmen von Chancen, Aufbruch und natürlich der unvermeidlichen ‚Montagsmotivation‘. ‚Pack den Tag!‘, grölen sie mir ins Ohr. Der Alltag läuft. Reibungslos. Pünktlich. Poliert. Nur eben ohne mich – als hätte ich mich aus Versehen von der Teilnehmerliste des Lebens abgemeldet Ich bin da – und doch nicht. Anwesend wie ein Schatten. Stunden tropfen durch meine Finger wie Wasser. Ein Schritt Richtung Bad, als müsste ich einen Berg erklimmen. Ein Blick in den Kühlschrank – wieder zu, weil mir das Regal voll halber Versprechen entgegenstarrt. Der Gedanke an Wäsche kommt kurz vorbei, setzt sich auf meinen Brustkorb und lacht – während der Wäschestapel weiter wächst wie ein trotziges Biotop in der Ecke.
Und trotzdem bewegt sich der Körper. Wie ferngesteuert. Eine Tasse in die Spüle.
Irgendetwas überziehen, das nach „menschlicher Kleidung“ aussieht. Vielleicht gehe ich sogar raus.
Es ist keine Lust, die mich bewegt. Irgendwo legt ein unsichtbarer Schalter um: „Jetzt.“ Ich tappe durch Nebel. Die Sonne blendet, Geräusche kommen gedämpft an.
Jedes Lächeln wirkt wie ein Pflaster auf einem offenen Bruch.
„Alles gefunden?“, fragt die Kassiererin. Ich denke: Milch, Brot – und die Illusion, mein Leben im Griff zu haben. Nur mich selbst suche ich noch. Vielleicht hinter den Sonderangeboten.
Ich nicke nur. Meine Antwort passt nicht in den Einkaufswagen. Manchmal gelingt ein echtes, kleines Lächeln. Weil ein Kind mich anstarrt, als wäre ich ein Alien in Jogginghose.
Oder eine Ente im Park denselben Energielevel hat wie ich. Ein kurzer Moment. Aber er zählt. Ich gehe weiter, betrete den Bürgersteig wie ein Schauspieler, der sein Stück vergessen hat. Ich funktioniere. Irgendwie. Niemand sieht, wie schwer jeder Schritt ist. Wie ich mich von Aufgabe zu Aufgabe schleppe, als würde ich durch nassen Beton waten. Zu Hause dann Luft, die nicht befreit, aber Abstand schafft. Zu Gedanken. Zum Schmerz. Zum lähmenden Nichts. Vielleicht habe ich nichts „geschafft“. Vielleicht habe ich einfach durchgehalten. Und vielleicht war genau das heute meine größte Leistung. Und wenn es Abend wird, verabschiedet sich die Sonne lautlos.
Fenster spiegeln nur noch sich selbst. Warmgelbes Licht über Fassaden – perfektes Filterlicht.
Menschen kochen, lachen, streamen. Ich sitze da wie ein Statist im Film „Normalität“: ohne Text, ohne Drehbuch, mit bester Sicht auf das Spektakel. Vielleicht auf demselben Sofa wie am Morgen.
Im Hoodie. Oder noch im Schlafanzug, der das Datum vergessen hat. Für andere: Ankommen, Durchatmen, Abschluss. Für mich: Der Tag ist vorbei, aber nicht zu Ende. Jetzt beginnt die Stille – das Gefährlichste für eine müde Seele. In der Stille kriecht alles zurück, was ich tagsüber weggeschoben habe. Mein Gehirn startet das „Best of Fehler“: ein Highlight-Reel aus Versäumtem, Vermasseltem, Vergessenem. Und wenn es nichts Aktuelles gibt, liefert das Archiv verlässlich Nachschub. 21:46 – zu früh zum Schlafen. 22:12 – jetzt ginge es.´22:43 – jetzt wirklich.
Ich lege mich hin. Handy im Flugmodus? Vielleicht. Decke über den Kopf. Hoffen, dass der Schlaf mich findet. Schlaf ist ein scheuer Hund. Je mehr ich ihn rufe, desto weniger kommt er. Ich wälze mich, starre ins Dunkel, zähle keine Schafe – sondern Gründe, nicht schlafen zu können. Irgendwann kippe ich um. Nicht friedlich, nicht erholsam. Eher wie ein Handy, das den ganzen Tag auf 1 % lief und mitten im Satz ausgeht. Der Körper zieht den Stecker, klappt mir die Augen zu und sagt: „Genug. Laden dicht.“
Der nächste Morgen. Vielleicht. Oft ist es ein einziger, zäher Zustand – unterbrochen von kurzen Versuchen, „normal“ zu sein. Depression kennt keinen Feierabend.
Keinen Rhythmus. Keinen Plan. Sie kommt, wann sie will. Bleibt, solange es ihr passt. Geht nicht, nur weil ich mir Mühe gebe. Aber: Ich bin noch da. Auch wenn ich es kaum spüre. Vielleicht habe ich heute „nichts erreicht“. Ich habe mich durch diesen Tag getragen. Durch Gedanken. Durch Stille. Durch die Schwere.
Wenn das alles war, dann war das verdammt viel.